Uns steht das Wasser bis zum Hals! Wege aus der Klimakrise?

Digitales Mehrgenerationenseminar zur Klimakrise

Unter dem Titel „Uns steht das Wasser bis zum Hals! Wege aus der Klimakrise?!“ haben sich vom 01.-04.04.2021 knapp 70 Erwachsene, Jugendliche und Kinder digital versammelt, um sich auch und gerade in Pandemiezeiten gemeinsam mit der Klimakrise auseinanderzusetzen sowie die Kar- und Ostertage zu feiern.

Für viele der Teilnehmenden ist das Osterseminar der Jugendakademie Walberberg schon lange fester Bestandteil im Jahreskreis. Andere waren in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Doch auch für die „Oster-Urgesteine“ war es ein neues Experiment, sowohl die inhaltlichen als auch christlich-spirituellen Seminareinheiten komplett in digitale Räume verlagert zu erleben. Ein Experiment, das gelungen ist – und doch bleibt der Wunsch auf Begegnungen in Echt!

Unter der Leitung drei hauptamtlicher Frauen wurde das digitale Konzept zusammen mit Honorarkräften und einem ehrenamtlichen Team, das die Liturgieteile gestaltet hat, entwickelt. Ein professionelles Technikteam, Musiker*innen und ein Teil des Teams waren jeden Tag vor Ort in der Jugendakademie und sendete von dort aus. So kam auch in Bild und Ton eine Brise Jugendakademie in den bundesweit verstreuten Wohnzimmern an. Zum inhaltlichen Programm schalteten sich knapp 50 Erwachsene, Familien und Jugendliche dazu, zu den Liturgien sogar bis zu 70.

Sich miteinander vertraut machen und ins Thema einsteigen, unter diesem Motto stand der erste Nachmittag. Über das ganze Seminar hinweg ermöglichten es besonders die Breakoutrooms in immer anderen Konstellationen zusammen und ins Gespräch zu kommen. So wurde der persönliche Bezug zur Klimakrise auch in solchen Kleingruppen hergestellt und direkt die digitale Tagungswand erprobt: Dort klickten sich alle durch die vorbereitete Sorgenfalten-Wand und Mutmacher-Wand voll bedrückender und hoffnungsvoller Klimanachrichten.

Bei der abendlichen Feier des Gründonnerstags stand das Essen in Gemeinschaft und die Wertschätzung der Früchte der Erde im Mittelpunkt. Zwar konnte nicht an einem Tisch das Brot geteilt werden, allerdings Geschichten zu den je eigens vorbereiteten Speisen der Teilnehmenden.

Sich vertiefter informieren, den Krisenzustand konfrontieren und auch schon Handlungsmöglichkeiten andenken, das stand am Karfreitag auf dem Programm. Vier Expert*innen zum Thema beantworteten Fragen zu ihren vorher aufgenommen Vorträgen und kamen mit den Teilnehmenden ins Gespräch. Während der Geologe Niko Froitzheim von der Uni Bonn naturwissenschaftliche und wachstumskritische Erkenntnisse und die Dringlichkeit zu handeln anschaulich machte, wurde bei Julia Lis vom Institut für Theologie und Politik die Rolle von Christ*innen in sozialen Bewegungen und die Öffnung kirchlicher Räume für diese diskutiert. Mattias Kiefer, der Umweltbeauftragte des Erzbistums München, leitete die theologisch begründete Verantwortung der christlichen Kirchen für die Schöpfung her. In der Diskussion wurde im Anschluss daran etwa für die Schulung pastoraler Mitarbeiter*innen zur Klimakrise plädiert. Mit dem Geographen Sören Becker von der Uni Bonn wurde kritisch auf aktuelle deutsche Klimapolitik geblickt und den mit dem Kohleausstieg geplanten Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier. Die Relevanz von Kommunen und durch regionales Engagement, Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig, klimafreundlich und solidarisch umgestalten zu können, wurde hier besonders deutlich.

Auch die Karfreitagsliturgie am Nachmittag war sehr anregend. Da wurde zuerst ein Kreuz in der Jugendakademie enthüllt, Musik von Avo Pärt gespielt und das Leiden und Sterben Jesu aus Sicht von Zeug*innen mit verteilten Rollen vorgelesen. Die meiste Zeit war allerdings bildschirmfrei: die Teilnehmenden konnten sich für Impulse allein oder mit der Familie entscheiden, zum Beispiel einen Radiobeitrag „Vom Klagen und Jammern“ hören oder einen Klagepsalm schreiben.

Der Karsamstag stand dagegen als Tag der Perspektiven, des Aufbruchs und des aktiv-Werdens. Am Vormittag gab es sehr informative und partizipative Workshops von fünf Aktivist*innen: die Schülerin Alena Hochstadt von Fridays for Future informierte über die Bewegung und brachte so verschiedenste Generationen ins Gespräch über klimapolitischen Aktivismus. Farina Becker und Tobias Blase von der BUND-Jugend gestalteten einen interaktiven Workshop zu Klimagerechtigkeit und stellten eine Aktionsidee vor. Das digitale Format machte es möglich, sogar Gloriose Umuziranenge aus Ruanda als Expertin zu natürlichen Ressourcen und Umweltmanagment an der Universität Rwanda dazuzuschalten. Sie berichtete von der schweren Betroffenheit Ruandas von der Klimakrise, die bereits für viele Menschen dort lebensbedrohlich ist und hob den Einsatz der protestantischen Kirche für Umweltbildung und Klimaschutz hervor. Utopien leben, statt nur über sie zu sprechen ist das Motto von Tobi Rosswog: der Umweltaktivist und Autor lebt in einem Kollektiv und teilte seine Erfahrungen solidarischer und möglichst klimaneutraler Lebensweise mit den Teilnehmenden. Ganz inspiriert packte viele Teilnehmende am Nachmittag der Tatendrang: Da wurde ein Wildblumenbeet vorbereitet, Klima-Kreidebotschaften auf den Straßen hinterlassen, gemeinsam ein share pic gestaltet, der Bonner Ostermarsch besucht, das Fahrrad statt des Autos genommen. Und nach und nach füllte sich die digitale Tagungswand mit Fotos der Aktionen und weiteren Handlungsideen.

Sehr feierlich und gemeinschaftlich war dann die Osternacht trotz räumlicher Distanz: Mit jeder gelesenen Lesung haben alle eine weitere Kerze angezündet, es wurde gemeinsam gesungen oder der Musik gelauscht, ein Schälchen Wasser als Symbol des Lebens bereitgestellt und über Hände gegossen, gemeinsam (selbstgebackenes) Brot gegessen und schließlich „Frohe Ostern“ durcheinandergerufen. Einige mochten sich dann gar nicht vom Bildschirm und der Gemeinschaft trennen, andere zog es an ihre vorbereiteten Osterfeuer.

„Ich habe ganz vergessen, dass ich nicht in der Jugendakademie bin“ – so resümierte eine Teilnehmerin am Ostersonntag, bevor das Seminar seinen Abschluss fand.

Vieles klingt nach, nach diesem außergewöhnlichen Zusammentreffen: Ideen zum eigenen Engagement, der Wert von Begegnungen auf Augenhöhe zwischen Generationen, Mut gemeinsam klimafreundliche Strukturen schaffen zu können, Dankbarkeit für die gemeinsamen Tage und das Wissen nicht allein zu sein, auch wenn es sich in Pandemiezeiten und Klimakrise als Einzelne*r manchmal so anfühlen mag.

 

Von Lea Fath, Volontärin im Fachbereich Schule in der Jugendakademie


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